Badia Musica
Wengen, Barbara Kapelle

Sonate

Samstag, 29 Juli um 21:15
in Wengen, Barbara Kapelle
Mara Miribung, Barockcello
Daniel Rosin,
Barockcello
Josep Maria Martí Duran,
Theorbe

“Das Solospielen ist auf diesem Instrument eben nicht eine so gar leichte Sache, Wer sich hierinne hervorthun will, der muss von der Natur mit solchen Fingern versehen sein, die lang sind, und starke Nerven haben, um weit auseinander greifen zu können. Wenn sich aber diese nothwendigen Eigenschaften, nebst einer guten Anweisung zugleich beysammen finden; so kann, auf diesem Instrumente, sehr viel Schönes hervorgebracht werden. Ich habe selbt einige große Meister gehöret, die auf diesem Instrumente bey nahe Wunder gethan haben.” (Johann Joachim Quantz (1697-1773): Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen (1752) - Kapitel “Über den Violoncellisten insbesondere”)
Wenn der berühmte Quantz um 1750 das cellistische Solospiel noch als bemerkenswerte Besonderheit erscheinen lässt, liegt die Vermutung nahe, dass das Violoncello zu dieser Zeit von großen Teilen der breiten musikalischen Öffentlichkeit noch in erster Linie als Begleit-Instrument wahrgenommen wurde. Während diese Continuo-Funktion viel umfassender gewesen sein muss, als man lange Zeit geahnt hat (akkordisches Generalbassspiel im vollwertigen, zum Teil ausschließlichen Gegenpart einer Oberstimme), so stand das virtuose Prestige des Cellos bestimmt stark im Schatten der Geigenliteratur.
Die Violine hatte sich schon während des ganzen 17. Jahrhunderts als Soloinstrument gefestigt, und im Hochbarock hatten fast alle großen Komponisten insbesondere zur deren riesigem Sonaten-Repertoire beigetragen. In Italien hatten nun zunehmend spezialisierte “Bass-Violinen”-Spieler begonnen, auch ähnliche Werke für das Instrument zu schreiben, das wir heute Violoncello nennen.
Der Weg, den nun diese Musik und das Violoncello innerhalb des 18. Jahrhunderts gingen, demonstriert exemplarisch einige der interessantesten, musikgeschichtlichen Phänomene des barocken Europas und erzählt beredt von kultureller Assimilation und musikalischer Globalisierung.
Allgemein als explizit italienisches Instrument verstanden, ist das Violoncello und seine Musik Teil des enormen Kulturexports, der Generationen von Künstlern aus dem Gebiet des heute geeinten Italiens nach ganz Europa ziehen ließ. Auch in Frankreich ist die Mode für das Italienische groß als das Cello Anfang des 18. Jahrhunderts eingeführt wird. Im stark zentralisierten Königreich – dem ersten und einzigen Staat mit einer selbstverherrlichenden Kunstpolitik – macht sich aber auch die Tendenz zur kulturellen Vereinnahmung bemerkbar.
Stilistische Hybrid-Kompositionen (französische Musik à l’italienne für Cello) geben dazu einen guten Einblick. Schließlich sind es dann auch französische Cellisten, die im galanten Zeitalter aus der Verschmelzung von italienischem Instrumentarium und alter, französischer Spieltechnik (basse de violon) mit den Möglichkeiten und Ansprüchen von staatlich organisierten Kunst-Akademien die Cellotechnik standardisieren und so das moderne Cellospiel begründen.
Dieses Konzertprogramm führt uns durch diese Entwicklungen und erlaubt an verschiedenen Etappen mit besonders schöner Musik zu rasten. Ausgehend von Werken aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts im reinsten Stil der Musikzentren Rom und Venedig (Scarlatti / Marcello) spannt es einen Bogen über die Sonate des gebürtigen Neapolitaners und eigentlichen Kosmopoliten Lanzetti (die sich mitten im Werk abrupt zum Französischen hin verbeugt) bis zu Barrières französischer Cellosonate im italienischen Kleid. Der Abend endet schließlich mit dem Ausblick auf einen gesamteuropäischen Musikstil mit der spätbarock-galanten Sonate des deutsch-französischen Komponisten Jean-Balthasar Tricklir.

Mara Miribung, geboren in Bozen (Italien), aufgewachsen in den Bergen (Val Badia). Cellostudium in London. Spezialisierung für Alte Musik in Basel an der Schola Cantorum. Barockcello bei Christophe Coin und Peter Skalka. Historische Improvisation bei Rudolf Lutz (MA in spezialisierter musikalischer Performance Alte Musik). Als Cellistin ist sie in verschiedenen internationalen Ensembles tätig, u.a. Kammerorchester basel, Balthasar Neumann Ensemble, Geneva Camerata, Camerata Variabile, Cappella Gabetta, Lautten Compagney Berlin, Israel Mozart Orchestra, Café Zimmermann. Seit 2015 ist sie Gastdozentin für Barockcello an der Universidad Central in Bogotá, Kolumbien. Sie spielt in zwei Musiktheater - Produktionen des Schweizer Regisseurs Thom Luz („Unusual Weather Phenomena Project“ 2016, „Inferno“ 2017). Mara Miribung lebt als freischaffende Künstlerin in Basel.

Das Violoncello im 18. Jahrhundert ein Sonatenabend als musikgeschichtliche Laterna magica

Programma

Alessandro Scarlatti
(1660-1725)
Sonata I per violoncello e basso continuo
Largo / Allegro / Largo / A tempo giusto

Benedetto Marcello
(1686-1739)
Sonata I (VI Sonate a Violoncello solo e basso continuo, Opera Prima)
Adagio / Allegro / Largo / Andante

Salvatore Lanzetti
(1710-1780)
Sonata VII (XII Sonate a Violoncello Solo e basso continuo)
Andante / Allegro / Largo / Rondeau

Jean-Baptiste Barrière
(1707-1747)
Sonata II a Tre (Sonates pour le violoncelle avec la basse continüe, Livre III)
Adagio / Allegro / Aria / Largo / Giga

Jean-Balthasar Tricklir
(1750-1813)
Sonate I (Six Sonates pour violoncelle et basse)
Allegro moderato /Adagio / Rondo Allegretto